Hallo Zusammen, ich habe heute in einem Hundeverein erlebt, dass zwar von Sozialisierung geredet wird, aber der Hund tatsächlich das Gegenteil lernen musste.
Landläufig verstehen die Menschen unter Sozialisierung, dass der Hund sich an möglichst viele andere Menschen und Hunde gewöhnt. Dazu gehen die Hundebesitzer, die Laien sind, in eine Hundeschule bzw. in einen Hundesportverein. Sie gehen auch dorthin, um von den Trainern und Übungsleitern zu lernen, wie sie ihren Hund gut sozialisieren. Je nach Ausbildungsstand bzw. Qualität der Ausbildung und den individuellen Voraussetzungen des Hundes, kann das gut funktionieren oder eben auch nicht.
Was bedeutet Sozialisierung? Sozialisierung ist die Gewöhnung an die lebende Umwelt. Gewöhnung setzt voraus, dass der Hund das Umfeld (Menschen, Tiere) als nicht angst einflößend und damit als nicht gefährlich einstuft. Gewöhnung an fremde Hunde setzt voraus, dass er diese als ungefährlich einstuft. Das geht aber nur, wenn der Hund sich wohlfühlt. Sobald irgendetwas für Unwohlsein beim Hund sorgt, lernt der Hund das, auf was sich gerade seine Aufmerksamkeit richtet, als Auslöser für sein Unwohlsein kennen.
Angst sorgt immer für Unwohlsein. Angst erzeugt Streß. Streß verstärkt die Angst und löst noch schneller Angst aus. Kennt der Hund schon viele andere Hunde und Menschen, mit denen er Spaß und Entspannung gelernt hat, ist es nicht schlimm, wenn er mal Angst hat. Das kann er dann gut verkraften. Ist der Hund aber allgemein sehr schnell ängstlich und gestresst, muss man unbedingt auf viele positive Erlebnisse mit den Angstauslösern achten.
Der Hund, den ich heute beobachtet habe, hatte fast bei der gesamten Übungsstunde, deutlich sichtbar, Angst. Die Besitzerin vertraute der Übungsleiterin/Trainerin und glaubt das dieses Vorgehen für eine gute Sozialisierung/Gewöhnung an andere Hunde sorgt. Laien haben keine andere Chance als den Übungsleitern/Trainern zu vertrauen. Sie glaubte es richtig zu machen. Sie will, dass ihr Hund die Angst verliert. Sie will, dass sich später ihr Hund anderen Hunden gegenüber nett verhält. Leider zeigt meine Praxis der Verhaltensberatung und Therapie, dass gerade solche Sozialisierungsversuche später in starkem Aggressionsverhalten enden. Die Trainer/Übungsleiter in solchen Hundevereinen/Hundeschulen sehen den Hund, sobald er aggressives Verhalten zeigt, nie wieder. Manchmal werden solche Hunde dann sogar aktiv ausgeschlossen. Die Besitzer, die alles richtig machen wollten, haben dann die Aufgabe, die Probleme, die ein aggressiver Hund macht, zu lösen.
„Aber mein Hund hat doch nur Angst, der ist nicht aggressiv.“ Ja, sage ich dann immer, er ist (noch) nicht aggressiv. Es gibt nur extrem wenige aggressive Welpen und nur wenige aggressive Junghunde. Werden sie aber dann erwachsen (mit 2-3 Jahren) werden sie selbstbewußter und sorgen auf ihre Art dafür, dass das was ihnen Angst macht, nicht näher kommt oder wieder verschwindet. Sie zeigen aggressives Verhalten. Es ist ihre einzig mögliche Strategie, die Gefahr fernzuhalten, denn selbst ausweichen können sie ja nicht wegen der Leine. Das zeigt sich dann typischerweise in einer Leinenaggression.
Leider ist ihre Strategie, ihre Verhaltensweise, dann auch sehr erfolgreich, denn die Besitzer oder die anderen Menschen und Hundehalter halten dann Abstand. Damit ist die Lernerfahrung für den Hund perfekt. Je öfter er damit Erfolg hat, um sehr stärker prägt sich dieses aggressive Verhalten als erfolgreiche Methode, Angst von sich fernzuhalten, ein.
Bei vielen Hunden, die Aggressionen zeigen, kann man später nicht mal erkennen, dass die eigentliche Ursache Angst war. Die Körpersprache hat dann oft überhaupt nichts ängstliches mehr. Kein Wunder, diese Strategie war und ist erfolgreich und je früher ein Hund das bei Begegnungen zeigt, um weniger Angst bekommt er. Oft genug sieht man dann Hunde, die schon bei Sichtung anderer Hunde in 200m Entfernung aggressiv reagieren.
Hätte der Besitzer früher auf die Zeichen der Angst bei ihrem Hund geachtet, wäre es vermutlich nie zu einem aggressiven Verhalten gekommen. Die Besitzer, als Laien, können jedoch (noch) nicht selbst auf diese Zeichen der Angst achten. Meist nehmen sie es nur als schlechtes Bauchgefühl wahr.
Liebe Leser, bitte bildet Euch in Bezug auf Körpersprache des Hundes weiter und ein ganz wichtiger Rat bis dahin:
Hört auf Euer Bauchgefühl
Noch etwas:
Manche Hunde, die Angst haben reagieren auch später nicht mit Aggression. Sie sind dann meist so starkt verängstigt, dass sie sich nichts mehr trauen. Sie haben aber dennoch Stress durch Angst und entwickeln Gesundheits- oder Verhaltensstörungen. Bei ihnen zeigen sich dann solche Verhaltensweisen wie „Schwanz jagen“, exzessives Pfoten lecken und andere ungesunde Verhaltensweisen, aber auch Haut- und Verdauungsprobleme sind nicht selten.